„Andere sind noch viel teurer!“

Höhere Kosten für Patienten „wegen Ukraine-Krieg“? Worauf Sie beim Arztbesuch achten müssen!

Patientin beim Gynäkologen
Bei der Gesundheitsversorge scheint eine Patientin abgezockt worden zu sein. © picture alliance, Matej Kastelic

von Madeline Jäger

„Es hat sich etwas an den Preisen geändert. Die Krebsvorsorge kostet jetzt mehr“, kündigt ein Kölner Gynäkologe im Behandlungszimmer an und stellt eine 31-jährigen Patientin damit nach einer halbstündigen Wartezeit kurz vor Behandlungsbeginn vor vollendete Tatsachen. Statt 40 Euro Zuzahlung zur Krebsvorsorge seien es nun leider schlappe 110 Euro. Wenn nicht gezahlt wird, sei keine Untersuchung möglich. „Durch den Ukraine-Krieg habe ich höhere Materialkosten“, rechtfertigt sich der Mediziner, als nachgefragt wird, wie die hohe Preissteigerung zustande kommt. Die Verbraucherzentrale NRW gibt Tipps, wie Sie mit der Ankündigung von Behandlungen mit einem Eigenkostenanteil umgehen sollten und ordnet den beschriebenen Fall ein.

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Kassenpatienten beim Arzt: Vorsicht, wenn Ihnen „IGeL-Leistungen“ angeboten werden

„Die Kasse zahlt ja bedauerlicherweise kaum noch etwas dazu“, gibt der Arzt weiter an. Es sind Momente wie diese, die Patienten als medizinische Laien vor große Herausforderungen stellen. Wer will schon an seiner Gesundheit sparen? Doch ist das rechtens und was ist dran, an der Begründung des Arztes?

Eine schwierige Entscheidung, wenn Patienten gar keine Alternativen aufgezeigt werden. Die Verbraucherzentrale bezeichnet den beschriebenen Fall aus Köln als „geschickte Verkaufstaktik.“ Doch gleichzeitig seien Facharzttermine nicht einfach zu bekommen und Arztwechsel gestalten sich ebenfalls schwierig. Ganz klar ist aber: Auch Kassenpatienten steht eine Krebsvorsorge-Untersuchung zu, für die sie nichts extra bezahlen müssen. Das bestätigt auch der Berufsverband der Frauenärzte e.V. auf RTL-Nachfrage.

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Höhere Kosten für Patienten wegen Ukraine-Krieg? Berufsverband bezieht Stellung

Und was ist mit der Aussage des Arztes, dass die Materialkosten durch den Ukraine-Krieg für ihn so stark gestiegen seien, dass die Kosten für die Untersuchung für Patienten stark erhöht werden mussten?

Gestiegene Energiepreise würden die Industrie, private Haushalte wie auch die Gesundheitsversorgung, mit all ihren Versorgungsprozessen betreffen, heißt es seitens des Verbands. Bislang gebe es jedoch keine geänderte Abrechnungsempfehlung – weder seitens der Kassenärztlichen Vereinigung (KBV) noch auf Länderebene.

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Hohe Arzt-Rechnung wegen Ukraine-Krieg? Ärzte dürfen höhere Kosten noch nicht an Patienten weitergeben

Was hier auf der Rechnung stehe, sei komplett nicht Teil der jährlichen Krebs-Vorsorgeuntersuchung, die Kassenpatienten eigentlich aber zusteht. Vielmehr handele es sich um eine individuelle Gesundheitsleistung, deren Kosten Patienten selbst tragen müssen.

Individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL) sind ärztliche, zahnärztliche und psychotherapeutische Leistungen, die Patienten grundsätzlich selbst bezahlen müssen, weil sie nicht zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherungen gehören.
Mit Blick auf den Ukraine-Krieg hätten zwar auch Arztpraxen mit höheren Kosten zu kämpfen, jedoch zu diesem Zeitpunkt noch nicht das Recht, dies geltend zu machen und Kosten an Patienten weiterzugeben, betont der Berufsverband der Frauenärzte e.V. im RTL-Gespräch.

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Ihre Meinung ist uns wichtig: Wurden Sie beim Arzt schon abgezockt?

Hohe Arzt-Rechnung als Kassenpatient: Was tun, wenn Gewinn-Maximierung im Vordergrund steht?

Laut der Verbraucherzentrale NRW wurden im beschriebenen Fall allem Anschein nach einer Patientin Kosten aufgedrückt, die nichts mit der kassenärztlichen Vorsorgeuntersuchung zu tun haben, weil der Gewinn-Maximierungsgedanke im Vordergrund stand.

Wenn Patienten sich dafür entscheiden, die kostenpflichtige Behandlung zum Beispiel beim Gynäkologen, aber auch bei jedem anderen Arzt wahrzunehmen, sollten Sie einiges beachten, empfiehlt die Verbraucherzentrale NRW. Insbesondere bei den sogenannten „Individuellen Gesundheitsleistungen“ („IGeL-Leistungen“) sei es wichtig, sich vor schwarzen Schafen in der Branche zu schützen – die es leider durchaus gibt.

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Verbraucherzentrale NRW: „Rechtlich so in dieser Form nicht in Ordnung“

„Hier hat der Arzt sehr hoch abgerechnet. Ärzte haben nach der GOÄ (Gebührenordnung für Ärzte) die Möglichkeit, bestimmte Steigerungssätze abzurechnen. Der Regel-Fall ist der 2,3-fache Satz. Der Arzt ist hier mit dem Faktor 3,2 schon deutlich darüber. Daher hätte er in der Rechnung begründen müssen, warum es zur Überschreitung dieses Regelsatzes gekommen ist“, erklärt die Juristin der Verbraucherzentrale NRW Sabine Wolter im Interview. Eigentlich hätte der Mediziner zum Beispiel angeben müssen, warum die Ultraschall-Untersuchung der Brust in diesem Fall so erschwert gewesen sei.

„Das ist rechtlich ohne Begründung in dieser Form nicht in Ordnung“, betont die Juristin dazu weiter.

Rechnung vom Gynäkologen
Die Juristin der Verbraucherzentrale sieht diese Rechnung der betroffenen Patientin sehr kritisch. Sie sei rechtlich nicht korrekt gestellt worden, weil zum Beispiel keine Begründungen angegeben wurden. © Privat

Verbraucherzentrale NRW kritisiert beschriebenen Ablauf beim Arztbesuch

Gleiches gelte für die andere Ultraschalluntersuchung auf Position 420. Auch bei der dritten Position auf der Rechnung sei keine Begründung für die erschwerten Umstände vorhanden.

„Diese Rechnung könnte man beanstanden“, erklärt Sabine Wolter dazu.
Die weitere Kritik der Verbraucherzentrale: Hier sei nach Angaben der Patientin eine komplett privatärztliche Leistung als erweiterte Kassenleistung verkauft worden. Man habe aber transparent darüber aufklären müssen, dass es sich hier um eine reine sogenannte „individuelle Gesundheitsleistung“ handelt, für die Krankenkassen keine Kosten übernehmen.

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Eine Arztpraxis will Ihnen als Kassenpatienten etwas verkaufen? Hierauf sollten Sie achten

„Das darf so nicht sein“, betont die Juristin der Verbraucherzentrale und gibt stattdessen folgende Tipps für Patienten:

  • Informieren Sie sich am besten vor dem Facharztbesuch über den „Igel-Monitor“, über die kostenpflichtigen „individuellen Gesundheitsleistungen“ (www.igel-monitor.de)
  • Fragen Sie vorab bei Ihrer Krankenkasse nach, was sie übernimmt: im Nachhinein nämlich gar nichts
  • Lassen Sie sich nicht unter Druck setzen: Eine individuelle Gesundheitsleistung ist keine eilige Leistung – sie können sich Gedanken machen und einen neuen Termin vereinbaren
  • Beachten Sie in der Praxis: Der Arzt muss Kassenpatienten immer darüber aufklären, was die Krankenkasse zahlt!
  • Patienten sollten auch immer fragen, wenn nur von Behandlungen die Rede ist, die für sie Kosten entstehen lassen: Was ist denn die Kassenleistung?
  • Lassen Sie sich in der Arztpraxis nicht überrumpeln. Stellen Sie Fragen zu Ihren Behandlungsmöglichkeiten: Wo liegen hier die Vor- und Nachteile für mich?
  • Fragen Sie genauer nach: „Was ist die Kassenleistung und was ist die Zusatzleistung?“
  • Wenn Sie sich für die IGeL-Leistung entscheiden: Lassen Sie sich vorab einen Kostenvoranschlag geben
  • Wenn Ihnen der Betrag zu teuer vorkommt, lassen Sie sich genau begründen, warum zum Beispiel ein erhöhter Satz abgerechnet wird und schauen Sie sich die Unterlagen genau an
  • Lassen Sie einen Behandlungsvertrag über die eigene Kosten-Übernahme aufsetzen
  • Lassen Sie sich eine Rechnung aushändigen

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Im Video: Welche IGel-Leistungen brauchen wir wirklich?

Verbraucherzentrale appelliert: „IGeL-Leistungen sind Verkaufsleistungen“

Patienten sollten außerdem beachten: „IGeL-Leistungen sind Zusatzleistungen, die unterschiedlich bewertet werden. Viele werden vom Igel-Monitor bezüglich ihres Nutzens negativ, oder als unklar bewertet – manche aber auch positiv“, so die Juristin.

„Patienten sollten sich nicht darauf verlassen, dass jede IGeL-Leistung zu jedem Zeitpunkt auch nötig ist. Denn IGeL-Leistungen sind Verkaufsleistungen, über deren Nutzen sich Verbraucher gut informieren sollten“, empfiehlt die Expertin und: „Auch wir als Verbraucherzentrale werden weiterhin aufmerksam beobachten, ob Ärzte wegen gestiegener Kosten versuchen, durch optimierte IGeL-Leistungen eine Gewinn-Maximierung zu betreiben.“ Verbraucher sollten wachsam bleiben und vor allem kritisch gegenüber allen Leistungen, die ihnen angeboten werden.

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